
Das Bundesentwicklungsministerium unter Minister Gerd Müller hat diesen Monat einen Entwurf für ein „Wertschöpfungskettengesetz“ vorgelegt. Es sieht Sorgfaltspflichten und verbindliche Unternehmensverantwortung für deutsche Unternehmen vor – auch in ausländischen Produktionsstätten und in Zulieferbetrieben weltweit. Dies soll die katastrophalen Arbeitsbedingungen und Menschenrechtsverletzungen in den Textilfabriken in Ländern des globalen Südens in den Blick nehmen und im Rahmen verbindlicher juristischer Richtlinien bekämpfen.
Müller macht die menschen- und arbeitsrechtlichen Bedingungen in der textilen Lieferkette seit seinem Amtsantritt als Entwicklungsminister immer wieder zum Thema – maßgeblich seit 2014 mit der Gründung des Textilbündnisses. Hier sollten unterschiedliche VertreterInnen aus Bundesregierung, Wirtschaft, Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und Standardorganisationen zusammenkommen, um sich über soziale, ökologische und ökonomische Verbesserungen entlang der gesamten Textil-Lieferkette zu verständigen. Bisher waren jedoch weder im Rahmen des Textilbündnisses noch im Kontext des Nationalen Aktionsplans für Wirtschaft und Menschenrechte verbindliche rechtliche Regelungen und verpflichtende Unternehmensverantwortung durchgesetzt worden. Textilbündnis und auch der Nationale Aktionsplan stehen seit Jahren in der Kritik, Verbindlichkeiten und Sorgfaltspflichten zu vernachlässigen – und durch Konzepte von Freiwilligkeit menschen- und arbeitsrechtliche Forderungen aufzuweichen.
Der neue Gesetzesentwurf soll hier jedoch Verbindlichkeiten vorsehen, und ist unter anderem eine Reaktion auf die Klage gegen den Textilkonzern KiK wegen des Fabrikbrandes in Karachi/Pakistan, bei dem im Jahr 2012 über 250 Menschen ums Leben kamen. Nur wenige Monate später verloren beim Einsturz des Rana Plaza-Fabrikgebäudes in Bangladesch über 1100 Menschen ihr Leben. Die beiden Unglücke verdeutlichen die katastrophalen Sicherheitsbedingungen sowie arbeits- und menschenrechtlichen Zustände in den Zulieferfabriken der textilen Wertschöpfungskette. In beiden Fällen konnten bisher keine der involvierten Textilkonzerne haftbar gemacht werden. Die Klage gegen KiK wurde Anfang 2019 abgewiesen.
Weltweit engagieren sich zivilgesellschaftliche Organisationen und Gewerkschaften seit Jahrzehnten für verpflichtende Menschenrechtsstandards in der internationalen Textilindustrie und für die Rechte der Arbeiter*innen. Germanwatch hatte gemeinsam mit anderen Organisationen bereits 2016 einen Gesetzesvorschlag vorgelegt. Wir berichten regelmäßig zu zivilgesellschaftlichem Druck gegen Konzernmacht und für Unternehmensverantwortung (zuletzt im NL 01/19).
Der Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (VENRO) begrüßt den Vorstoß von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller, deutsche Unternehmen gesetzlich zu verpflichten, soziale und ökologische Mindeststandards entlang der Lieferkette einzuhalten:
„Ein solches Gesetz bedeutet Rechtssicherheit für alle betroffenen Unternehmen und es sorgt dafür, dass nicht jene Unternehmen benachteiligt werden, die freiwillig auf hohe Standards achten. Verbindliche Regelungen schaffen ebenso Sicherheit für die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass an den gekauften Produkten kein Blut klebt. Nicht zuletzt schützt ein solches Gesetz aber vor allem die Opfer am Ende der Lieferketten, die in elendesten Bedingungen arbeiten müssen.“
Weitere Infos:
>> Pressemitteilung von VENRO
>> Stellungnahme von Germanwatch
>> taz-Artikel „Neues Wertschöpfungskettengesetz – Schnittmuster für eine bessere Welt“
>> SÜDWIND-Themenbereichsseite „Arbeitsrechte global“