„Europa wählt Menschenwürde – Europa stärken, Rassismus stoppen und Menschenrechte wählen“: Unter diesem Motto standen die Interkulturellen Wochen gegen Rassismus 2019, in denen erneut zahlreiche Veranstaltungen rund um den 21. März (Internationaler Tag gegen Rassismus) stattfanden. Gerade auch vor dem Hintergrund der Morde an MuslimInnen in Neuseeland ging es in diesem Jahr vielerorts vor allem um die Auseinandersetzung mit antimuslimischem Rassismus. Die vielfältigen Aktivitäten sind in einem bundesweiten Veranstaltungskalender zu finden. Sie werden auch in Hessen noch bis zu den Europawahlen im Mai fortgesetzt, für die gegenwärtig auch rassistische und nationalistische Gruppierungen kräftig mobilisieren.
Rassismus ist in der Mitte der Gesellschaft verankert und hat sich in allen Milieus verfestigt. Es vergeht kein Tag ohne Nachrichten über verbale und körperliche Bedrohungen sowie Angriffe gegenüber Opfern und GegnerInnen von Rassismus, welche immer wieder auch dessen tiefe strukturelle Verankerung zeigt. Rechtspopulistische Hetze und deutlich gestiegene Gewaltbereitschaft überschatten Studien zufolge die Tatsache, dass die deutliche Mehrheit der Gesellschaft genau dies ablehne. Für den Alltag heißt das: Schweigen ist keine Antwort! Es braucht eine breite gesellschaftliche Solidarität.
Für den Alltag bedeutet dies ebenfalls, dass wir – auch in der Eine Welt-Arbeit – über Rassismus in seinen verschiedenen Ausprägungen sprechen und seine Wirkung verstehen müssen, denn er geht uns alle an: „Rassismus ist eine Lehre, die eine hierarchische Unterscheidung von Menschen vornimmt. Grundlage dieser Unterscheidung sind biologische Merkmale, die als wesentliche Voraussetzung für soziale und kulturelle Leistungsfähigkeit sowie für gesellschaftlichen Fortschritt gedacht werden. Mithilfe dieser Gedankenkonstruktion lassen sich Trennungen entlang einer Beteiligungsachse anordnen: Auf der einen Seite finden sich Menschen, Gruppen und Gesellschaften, die als ‚überlegen‘ und infolgedessen als herrschende ‚Norm‘ gelten; auf der anderen Seite finden sich Menschen, Gruppen und Gesellschaften, die als ›unterlegen‹ dargestellt und als Abweichung entworfen sind. Ein wesentlicher Grund für die Schaffung einer solchen Rangordnung sind ökonomische, materielle, kulturelle, intellektuelle und soziale Ressourcen, deren ungleiche Verteilung mit rassistischen Argumenten begründet, gerechtfertigt, kontrolliert und auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens durchgesetzt wird.“ (RAA Berlin 2018) Wir können sicherlich feststellen, dass in der Eine Welt-Szene – besonders bei jungen Engagierten – bereits eine breitere Beschäftigung als noch vor wenigen Jahren stattfindet. Themen rund um die Auseinandersetzung mit Machtverhältnissen in Organisationen, Strukturen oder konkreten Projekten, mit Bildungsmaterialien, Sprache, Bildern oder mit den Auswirkungen des Kolonialismus und dessen Kontinuitäten sind für Ehren- und Hauptamtliche dennoch keine Selbstverständlichkeit. Sie rütteln auf – an vielen Stellen und auf viele Weisen. Auch auf europapolitischer Ebene kann man beispielsweise die Verhandlungen zu den Wirtschafts(‚partnerschafts’)abkommen mit Ländern des Globalen Südens und deren Durchsetzung in den Blick nehmen und dabei durchaus kritisch reflektieren, ob die Menschenwürde tatsächlich immer an erster Stelle kommt. Angelehnt an das Motto der Interkulturellen Wochen ließe sich sagen: Europa zu stärken darf nicht auf Kosten von Menschenrechten gehen und heißt, Rassismus in all seinen Facetten zu stoppen.
Weitere Infos:
Webseite zu den Internationalen Wochen gegen Rassismus
RRA-Broschüre „Rassismus: Eine Definition für die Alltagspraxis“ (PDF)
Interview: S. Palasie und Th. W. Michael zu Kolonialismus, Rassismus und Populismus